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Maschinenlernen im Mittelstand: Einsatzbeispiele & Umsetzungstipps (Teil 2/2)

Sebastian Zang
12/2/2019

Maschinenlernen ist längst im Mittelstand angekommen, es gibt eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, wo dies erfolgreich gelungen ist. Einige Beispiele seien nachfolgend aufgeführt. 

Maschinenlernen wird bereits heute in Unternehmen umgesetzt

In der Softwareindustrie lassen sich Screencasts (auch genannt: Video-Recording mit Tonspur) transkribieren, und zwar mithilfe von Natural Language Processing. Statt umfangreicher Handbücher zur technischen Dokumentation im Textformat zu erstellen, werden Screencasts produziert, in denen die Funktionsmodule einer Software erläutert werden. Mit der Transkribierung dieser Screencasts werden die Videos durchsuchbar, der Nutzer kann bei bestimmten Fragestellungen direkt an die Stelle im Video springen, an der das für ihn relevante Thema behandelt wird. Eben dies war in der Vergangenheit nicht möglich. Dabei handelt es sich im Übrigen um eine sogenannte "passive Anwendung" von Maschinenlernmethoden: Es geht hierbei nicht darum, einen neuen Algorithmus zu entwickeln, sondern einen bereits ausgereiften Algorithmus einzusetzen. 

Bei produzierenden Unternehmen wird Maschinenlernen etwa für Predictive Maintenance (oder auch: Vorausschauende Wartung) eingesetzt: Sensoren messen hierbei ein bestimmtes Verhalten von Maschinen, etwa Schwingungen / Vibrationen, akustische Signale oder Temperatur. Ein Bauteil zeigt kurz vor dem Ausfall spezifische Muster, die erkannt werden und einen Austausch auslösen, ohne dass es zu einem Ausfall kommt - gleichzeitig wird der Wechsel eines Bauteils auch nur dann angestoßen, wenn es erforderlich wird, ein funktionsfähiges Bauteil wird also nicht unnötig ausgetauscht (etwa im Rahmen von fixen Wartungsintervallen). Dadurch können effektiv reale Kosten vermieden werden. 


Betriebsdaten auswerten, Produktivität maximieren

Viele Maschinenbauer gehen dazu über, für Ihre Maschinen einen Produktionsleitstand aufzubauen, der Betriebsdaten der eingesetzten Maschinen überwacht und deren Produktivität maximiert. In einem Produktionsleitstand fließen alle Informationen über den Zustand einer Maschine (z.B. im Sägewerk) zusammen, hier lässt sich erkennen, ob eine Maschine auf Volllast fährt, ob Überhitzung droht, ob der Ölstand stimmt und gegebenenfalls auch, wie viele Teile auf einer Maschine in einem Zeitintervall bereits bearbeitet wurden. Hier liegt ein großes Potenzial für die Deutsche Wirtschaft, denn weltweit sind über eine Milliarde in Deutschland gefertigter Maschinen und Geräte im Einsatz. Bei diesen Produktionsleitständen wird das Maschinenlernen kombiniert mit dem Internet-of-Things; letzteres führt die Betriebsdaten (und auch Sensordaten) der dezentral aufgestellten Maschinen im Produktionsleitstand zusammen. 

Maschinenlernen wird auch im Bereich Prediction eingesetzt, um Vorhersagen und Prognosen anzustellen. Es ist bekannt, dass Amazon einmal das ehrgeizige Ziel hatte, schon vor dem Kunden zu wissen, was dieser als Nächstes bestellen möchte. Das mag man für Hybris halten, tatsächlich aber gibt es statistisch gesehen viele Zusammenhänge zwischen Wetter, Wirtschaftslage und Kaufhistorie, die auf das Bestellverhalten Einfluss haben und es somit messbar machen. Unternehmen wie Amazon nutzen dies für die Lageroptimierung. Eine Variation zu dieser Vorhersage der Nachfrage gibt das Beispiel einer Bäckereikette her: Diese füttert je Filiale einen KI-Algorithmus mit diversen Daten (wie Wetter, etc.), um die Nachfrage zu bestimmen. So konnte sich die Bäckerei deutlich besser auf die nachgefragten Backprodukte ausrichten und die Produktion anpassen. Das Ergebnis: Am Ende des Tages wurde deutlich weniger weggeschmissen. Ein Resultat, das sich sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht lohnt. 


Wie sollte man als Mittelständler ein Projekt zum Maschinenlernen starten?

Wer als Unternehmen in das Maschinenlernen einsteigen will, der kann sich dem Thema auf verschiedene Weise nähern: Entweder man betrachtet die Herausforderungen, die in einem Unternehmen generell gelöst werden müssen. Dann prüft man, ob sich hierfür Maschinenlernen eignet. Das Bäckereikette ist hierfür ein gutes Beispiel: Das Problem der Fehlproduktion ist ein Dauerbrenner, das Maschinenlernen eine adäquate Antwort. 

Man kann andererseits auch einmal die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens durchgehen, und zwar Workflow für Workflow. Angebote wie der kostenlose Digital-Check von Matchdigital geben hierbei bereits eine erste Orientierung. Für jeden Arbeitsschritt kann man zudem eine Checkliste mit den gängigen Verfahren des Maschinenlernens heranziehen (Mustererkennung, Spracherkennung, Sprachgenerierung, etc.) und prüfen, ob der Einsatz einer Methode des Maschinenlernens hier eine Automatisierung oder Verbesserung eines Arbeitsschrittes ermöglicht. Sinnvoll ist außerdem, sich mit Experten zu vernetzen und gemeinsam neue Projekte anzugehen. 

Mein Tipp an dieser Stelle ist, dass jedes mittelständische Unternehmen zunächst vorsichtig Erwartungsmanagement betreiben sollte: Maschinenlernen wird nicht alle Probleme lösen, Maschinenlernen ist in der Regel auch keine Plug&Play-Technologie, die sich binnen kurzer Frist produktiv schalten lässt. Maschinenlernen hat in jedem Unternehmen eine flache Hochlaufkurve. Hier heißt es: Im Vorfeld genau analysieren und sich je nach Projektgröße von Experten beraten lassen, wo in Ihrem Unternehmen eine KI-Anwendung von Nutzen sein könnte. Ganz im Sinne des Trial&Error-Mindest (Versuch & Irrtum), ist die Umsetzung von KI-Technologie im Mittelstand ein Prozess, an den man nicht mit Heilsversprechen herangehen sollte, was schnell in eine bittere Enttäuschung umschlagen und den Abbruch jeglicher Aktivitäten dieser Art bedeuten könnte. Stattdessen können Sie Rückschlüsse aus Ihren Versuchen ziehen und Verbesserungen in neuen Anläufen vornehmen. Schließlich geht es bei Künstlicher Intelligenz nicht zuletzt darum, dass ein intelligentes System etwas erlernt und selbstständig umsetzt. Das geschieht nicht von Heute auf Morgen. 

Die Erfahrung zeigt außerdem, dass viele Unternehmen erst noch eine Datenstrategie entwickeln müssen. Projekte zum Maschinenlernen erfordern zunächst einmal die konsolidierte Zusammenführung jener Daten, die zum "Trainieren" eines Algorithmus genutzt werden sollen. Selten sind die Bedingungen in Unternehmen gegeben, dass Produktionsdaten oder Betriebsdaten systematisch zentral zusammengeführt werden. Weitere Empfehlungen für den Einsatz von KI im Mittelstand finden Sie hier.

Ich wünsche viel Erfolg bei den ersten Schritten im Maschinenlernen!

Ihr Sebastian Zang


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Sebastian Zang besitzt 20 Jahre Expertise in der IT Industrie. Seit 2011 begleitet und berät er als Geschäftsführer der Categis GmbH bei der Entwicklung einer Digital Roadmap und setzt IT Projekte in unternehmenseigenen Offshore Entwicklungszentren um. Als Director Mergers & Acquisitions für die börsennotierte Beta Systems Software AG bringt er seine Expertise zudem in die Bewertung und Weiterentwicklung von IT Geschäftsmodellen ein. Er ist zudem Keynote Speaker und Blogger rund um Digitale Transformation (www.erfolgreiche-software-projekte.de)

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Sebastian Zang besitzt 20 Jahre Expertise in der IT Industrie. Seit 2011 berät er als Geschäftsführer der Categis GmbH bei der Entwicklung einer Digital Roadmap und setzt IT Projekte in unternehmenseigenen Offshore Entwicklungszentren um.